Als garstiger Leiter eines Waisenhauses verkauft Mr. Bumble den kleinen Oliver Twist – der es gewagt hatte, beim Essen um einen Nachschlag zu bitten – an einen Leichenbestatter. Der Alte schreit die ihm anvertrauten Kinder an, unterdrückt und erniedrigt sie. Dies käme Emidio Raggi, dem Darsteller von Mr. Bumble in der Neusser Musical-Produktion „Oliver!“, im wahren Leben niemals in den Sinn, denn er liebt Kinder. „Ich bin genau das Gegenteil von Mr. Bumble, das macht die Rolle für mich so schwierig, aber auch so reizvoll“, erklärt der 66jährige und damit älteste Darsteller der aktuellen Produktion. Emidio Raggi singt von Kindesbeinen an leidenschaftlich gerne, angeregt durch seinen Lehrer in Italien, der mit den Schülern „Nabucco“ einstudierte. Über die Kirchenmusik gelangte er als Sänger zu seiner ersten Rockband, später in Deutschland trat der dem Schulchor seiner Tochter bei. Als Aktiver der BüNE (Bürgerstiftung Neuss) begeistert er heute junge Schüler für die Musik. In der aktuellen Produktion der Neusser Musikschule und der Alten Post ist sein sonorer Bass im Chor zu hören und in einer Arie, die sehr melodisch, schön und traurig zugleich klingt.
Autor Charles Dickens stellte Mr. Bumble eine Frau zur Seite: Die Witwe Corney, hier nun dargestellt von Tanja Boes. Über die Musikschule hatte die 41jährige Industriekauffrau von der „Oliver!“-Produktion erfahren und sich erfolgreich beworben. In verschiedenen Musical-Chören hat sie bereits mitgewirkt, zu festlichen Anlässen singt sie für Freunde und in der Kirche. „Mir geht es wie Emidio. Die Rolle der Witwe Corney passt so gar nicht zu mir“, lacht sie, „denn ich bin weder geldgierig noch boshaft. Aber diese Diskrepanz ist genau das Reizvolle für mich.“ Reizvoll ist es auch, die beiden verschrobenen Charaktere als Paar darzustellen. Bei aller Giftigkeit und Boshaftigkeit empfinden sie laut Romanvorlage eine tiefe Zuneigung für einander, so dass Bumble tatsächlich seine fürsorgliche Seite zeigen kann und die schroffe Dame in seinen Armen landet. Diesen Figuren darstellerisch und gesanglich gerecht zu werden, daran feilen Tanja Boes und Emidio Raggi noch bis zur Premiere am 20. September im Globe-Theater.