Prügeleien auf der Bühne darstellen – das ist gar nicht so einfach. „Die meisten Leute heben dann die Arme an und wuseln aus dem Hand- oder Ellenbogengelenk heraus vor sich hin“, weiß Selbstverteidigungs-Coach Dagmar Kann-Coomann. Das sieht dann eher niedlich aus – und passt nicht in die Kampfszenen des Musicals „Oliver!“, das derzeit vom Kulturforum Alte Post und der Musikschule der Stadt Neuss einstudiert wird. „Die Ensemblemitglieder stehen ja als verwahrloste Straßenkinder vor dem Publikum. Ihre Kämpfe und Rangeleien müssen also grob, hart, ja möglichst brutal aussehen“, findet die erfahrene Trainerin. Also hat sie mit den Darstellern geübt, die Bewegungen aus dem Körper heraus zu entwickeln, Spannung aufzubauen, Entschlossenheit zu demonstrieren. Seit fünf Jahren widmet sich die Journalistin intensiv dem WingTsun-Training, das auf dem Taoismus basiert. „Wir verändern nicht die Welt, wir verändern uns“, zitiert sie einen Leitsatz. Man weicht dem Gegner aus wie fließendes Wasser – um dann aus der Ausweichbewegung heraus zurückzuschlagen. Natürlich sollen die Musical-Darsteller dabei auf der Bühne ihre Mitspieler nicht treffen. Das Ensemble macht seine Sache gut. Rüpelhafte Rangeleien, aggressives Schubsen und tödliches Würgen wirken überzeugend und bleiben zum Glück ohne ernsthafte Folgen. Ein blaues Auge gab es mal beim Training . Aber das ist jetzt – also lange vor der Premiere am 20. September im Globe-Theater – schon wieder abgeheilt.
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Konträr zum eigenen Charakter
Als garstiger Leiter eines Waisenhauses verkauft Mr. Bumble den kleinen Oliver Twist – der es gewagt hatte, beim Essen um einen Nachschlag zu bitten – an einen Leichenbestatter. Der Alte schreit die ihm anvertrauten Kinder an, unterdrückt und erniedrigt sie. Dies käme Emidio Raggi, dem Darsteller von Mr. Bumble in der Neusser Musical-Produktion „Oliver!“, im wahren Leben niemals in den Sinn, denn er liebt Kinder. „Ich bin genau das Gegenteil von Mr. Bumble, das macht die Rolle für mich so schwierig, aber auch so reizvoll“, erklärt der 66jährige und damit älteste Darsteller der aktuellen Produktion. Emidio Raggi singt von Kindesbeinen an leidenschaftlich gerne, angeregt durch seinen Lehrer in Italien, der mit den Schülern „Nabucco“ einstudierte. Über die Kirchenmusik gelangte er als Sänger zu seiner ersten Rockband, später in Deutschland trat der dem Schulchor seiner Tochter bei. Als Aktiver der BüNE (Bürgerstiftung Neuss) begeistert er heute junge Schüler für die Musik. In der aktuellen Produktion der Neusser Musikschule und der Alten Post ist sein sonorer Bass im Chor zu hören und in einer Arie, die sehr melodisch, schön und traurig zugleich klingt.
Autor Charles Dickens stellte Mr. Bumble eine Frau zur Seite: Die Witwe Corney, hier nun dargestellt von Tanja Boes. Über die Musikschule hatte die 41jährige Industriekauffrau von der „Oliver!“-Produktion erfahren und sich erfolgreich beworben. In verschiedenen Musical-Chören hat sie bereits mitgewirkt, zu festlichen Anlässen singt sie für Freunde und in der Kirche. „Mir geht es wie Emidio. Die Rolle der Witwe Corney passt so gar nicht zu mir“, lacht sie, „denn ich bin weder geldgierig noch boshaft. Aber diese Diskrepanz ist genau das Reizvolle für mich.“ Reizvoll ist es auch, die beiden verschrobenen Charaktere als Paar darzustellen. Bei aller Giftigkeit und Boshaftigkeit empfinden sie laut Romanvorlage eine tiefe Zuneigung für einander, so dass Bumble tatsächlich seine fürsorgliche Seite zeigen kann und die schroffe Dame in seinen Armen landet. Diesen Figuren darstellerisch und gesanglich gerecht zu werden, daran feilen Tanja Boes und Emidio Raggi noch bis zur Premiere am 20. September im Globe-Theater.
Wenn Töne den Körper durchfluten
Gesangstrainerin Mascha Corman macht Neusser Musicaldarsteller fit
„Gut so! Den Atem fließen lassen. Jetzt einen Kussmund zeigen, die Nase rümpfen, die Augenbrauen anheben, die Kopfhaut aktivieren…“ Was nach Anti-Falten-Gesichtstraining klingen mag – ist tatsächlich Gesangsunterricht in der Musikschule Neuss. Trainerin Mascha Corman übt gerade mit einer Sängerin aus dem Ensemble der Neusser Musicalproduktion „Oliver!“. Zunächst werden alle Gesichtsmuskeln und Körperpartien gelockert, dann fließen Summtöne auf „M“ und „A“ und „O“ in den Raum, ehe es an die Arbeit an den eigentlichen Noten geht. Individueller Unterricht in Atemtechnik und Stimmbildung gehört zu dem umfangreichen und professionell geschnürten Paket, das die Mitwirkenden als „Gage“ für ihr Mitwirken nutzen können – und gerne in Anspruch nehmen.
Wie man Töne in verschiedene Bereiche des eigenen Körpers schicken kann, wie wichtig die richtige Haltung ist, wie allumfassend Singen sein kann und wieviel mehr Energie da ist, wenn man um diese Dinge weiß und sie richtig einsetzt – all’ das und noch viel mehr vermittelt Mascha Corman ihren Schülerinnen und Schülern auf einfühlsame und anschauliche Weise . „Stimmbildung ist enorm wichtig. Nicht nur für die Produktion, sondern für das ganze Leben“, findet die 26jährige Kölnerin. Sie selbst singt mit professioneller Intension seit Studienbeginn: Im künstlerischen Bereich strebt sie den „Bachelor of music“ im Jazzgesang an, parallel arbeitet sie auf ein sonderpädagogisches Staatsexamen in der Musik für Hörgeschädigte und Gehörlose hin.
„Als Kind hatte ich Klavierunterricht, aber das Singen war auch immer schon Bestandteil meines Lebens. Meine ältere Schwester hat mich da mitgezogen. Und unsere Eltern sind beide Berufsmusiker“, verrät Mascha Corman mehr über ihre Leidenschaft, die sie gerne als Gesangstrainerin und Stimmbildnerin weitergibt. Ihr Einsatz in Neuss kommt nicht von ungefähr: Sie stand selbst schon in den Neusser Musicalproduktionen „Die Kopfrechnerin“ und „Hair“ auf der Bühne. „Wenn ich Kommilitonen von der Neusser Produktion erzähle, finden die cool, was hier auf die Beine gestellt wird – und dass ich daran mitarbeiten kann“, sagt sie mit einem strahlenden Lächeln. Dass ihre Arbeit Früchte trägt – wird man während der Aufführungen ab dem 20. September im Neusser Globe-Theater hören können.
„Einmal richtig fies sein“
Weil seine Tante aus dem Rhein-Kreis Neuss aufmerksam Zeitung liest, spielt Alexander Peters jetzt eine wichtige Figur in der Neusser Musicalproduktion „Oliver!“: Sie hatte den Casting-Aufruf entdeckt, ihren Neffen in Wülfrath informiert – und nach bestandener Aufnahmeprüfung wird Alexander nun in Neuss zum fiesen Verbrecher Bill Sikes.
Seit 13 Jahren spielt Alexander Gitarre, der Gesang „kam dann irgendwie von alleine dazu“. Seine Eltern hatten ihn immer schon in einem Chor gesehen – doch erst jetzt sieht er sich auch selbst im Chor und in seiner Solorolle. Theatererfahrung bringt Alexander Peters von verschiedenen Kabarettproduktionen mit, zunächst in der Schule, später in Theaterprojekten in Erkrath und Heiligenhaus. Die Begeisterung hat ihn so gepackt, dass er sich derzeit auch eine entsprechende berufliche Karriere wünscht und an Schauspielschulen vorspricht. Da kam die Neusser Musicalproduktion und damit verbunden die Chance, neue Erfahrungen zu sammeln und sich gesanglich und schauspielerisch weiter zu qualifizieren, gerade zum richtigen Zeitpunkt. „Ich finde es super, den Fiesen zu spielen“, verrät der 21jährige, denn „ich glaube, ich bin leicht cholerisch veranlagt, kann und will das aber im normalen Alltag natürlich nicht zeigen. In der Rolle aber kann ich das voll ausleben.“
Als Bill Sikes behandelt er seine Partnerin Nancy auf übelste Weise, er ist dem kleinen Oliver Twist absolut kein erstrebenswertes Vorbild und hat auch ansonsten wenig für seine Mitmenschen übrig. Auf der Bühne des Globe-Theaters wird dies erlebbar, wenn das Musical „Oliver!“ als Koproduktion der Neusser Musikschule und des Kulturforums Alte Post gezeigt wird. Premiere ist am 20. September. Bis dahin heißt es „üben, richtig fies zu sein.“
Birgit wird zu Nancy
Mit 16 Jahren hatte sie den ersten Gesangsunterricht. Sie besuchte Schauspielkurse, stand im Neusser Kulturkeller mit einer 50er Jahre-Revue auf der Bühne, sang und spielte im Kristallpalast in Leipzig oder im Varieté et cetera in Essen: Birgit Meyer ist mit ihrer warmen Altstimme eine versierte und begeisterte Sängerin. Nun ist sie beim Musical „Oliver!“ auch wieder in Neuss zu hören und zu sehen. In dieser Gemeinschaftsproduktion der Städtischen Musikschule Neuss und des Kulturforums Alte Post spielt sie die „Nancy“. Und dies nun schon zum zweiten Male: „Ich hatte auch in der Produktion im Jahr 2000 diese Rolle. Doch diesmal ist das Arrangement noch viel schöner und anspruchsvoller“, sagt die 37jährige. Dies macht für sie den Reiz aus, nochmals „Nancy“ zu sein – und damit bereits zum neunten Mal an einer Neusser Musicalproduktion mitzuwirken.
Birgit Meyer wollte ursprünglich die Bühne zu ihrem Arbeitsplatz machen. Doch dann hatte sie Sorge, als Sängerin auf Tournee ihren Kindern nicht gerecht werden zu können. Kurzerhand studierte sie die Fächer Musik und Deutsch auf Lehramt – und war während des Referendariates erstaunt, wieviel Spaß ihr auch das bereitete. Heute unterrichtet sie mit Freude und Begeisterung an der Theresienschule in Hilden und leitet dort eine Theater AG. So bringt sie alle Wünsche gut unter einen Hut. „Aber ich muss auch selbst immer mal wieder auf der Bühne stehen, sonst fehlt etwas“, lacht sie. „Darum bin ich gerne wieder die Nancy, auch wenn ich mich privat nicht mit ihr identifizieren kann. Sie ist zwar die gute, aber auch blind verliebte und naive Seele in diesem Stück.“ Ihr Wirken – und das tragische Ende dieser Figur – können die Musicalbesucher am 20. September und an fünf weiteren Vorstellungsterminen von „Oliver!“ im Globe-Theater erleben.
Der singende Schreiner
Dienstagabend ist Probe. An diesem Termin wird nicht gerüttelt und Christian Kirchhof reist immer wieder gerne aus Essen an, um dabei zu sein. Die städtische Musikschule Neuss und das Kulturforum Alte Post stellen 2014 wieder eine Musicalproduktion auf die Beine und Christian hat im Casting eine der Hauptrollen ergattert. Der Weg bis zur Aufführung scheint noch lang. Es gibt keine Honorare – aber dafür Top-Gesangs- und Schauspielunterricht – und dieses Angebot ist so attraktiv, dass die Darsteller alle mit Eifer und Begeisterung dabei sind. Wenn am 20. September 2014 Premiere ist, wird Christian als Bandenchef „Artful Dodger“ auf der Bühne des Globe-Theaters stehen und auch in fünf weiteren Vorstellungen dieser Figur Leben einhauchen. Parallel dazu ist Christian Kirchhof eine von sechs Stimmen einer A-capella-Gruppe und nimmt private Gesangsstunden. Einige Zuschauer haben ihn sicher aus der Neusser Musical-Produktion „Die drei Rätsel“ 2012 in guter Erinnerung.
„Dodger ist ein frecher Typ, aber er ist im Grunde ein Guter, er kümmert sich um seine Bande und er will den jungen Oliver Twist unterstützen. Er ist ein Improvisationskünstler. Was das angeht, kann ich viel von ihm lernen und in mein echtes Leben übernehmen“, erzählt der 23jährige Christian. In der Tat musste er in den vergangenen Monaten Flexibilität beweisen. Eigentlich wollte er Folkwang-Schüler in Essen werden. Doch die Hochschule nahm ihn nicht an. Jetzt macht er eine Schreinerlehre, die ihm viel Freude bereitet. Die Kollegen nehmen es ihm nicht übel, dass er oft und gerne bei der Arbeit singt – schließlich klingt das gut! Davon kann man sich bei der Premiere und weiteren Vorstellungsterminen überzeugen.
„Das gibt es nur in Neuss“
Ralf Beckers ist musikalischer Leiter der Neusser Musicalproduktion „Oliver!“
Während des Klavierspiels legt er Kopf schräg und hört genau auf den Chor. Ja! Die vielstimmigen Akkorde sitzen genau. Ein wunderbar dynamisches und kraftvolles Hörerlebnis entwickelt sich. Ein breites Lächeln zieht sich über sein Gesicht. Ralf Beckers ist sehr zufrieden mit der Probe.
Es ist Dienstagabend und der musikalische Leiter der Neusser Produktion „Oliver!“ hat eigentlich schon einen recht langen Arbeitstag als Dozent an der Neusser Musikschule hinter sich, doch für die Entwicklung des Musicals kann er sich gut und gerne nochmals drei Stunden konzentrieren. „Die Darsteller bringen eine solche Energie mit – das wirkt total ansteckend, ist der schönste Lohn und macht einen wieder frisch“, erzählt Beckers, der tatsächlich seinen Traumberuf ergriffen und diesen Schritt nie bereut hat.
So arbeitet er nun – bis zur Premiere im September im Globe-Theater – Woche für Woche angenehm unaufgeregt, humorvoll und präzise mit den Sängerinnen und Sängern an diesem Musical, das die Geschichte des Waisenjungen Oliver Twist erzählt. Auch während der Sommerferien geht die Probenarbeit weiter.
Dieses Stück wurde bereits im Jahr 2000 als Koproduktion zwischen der Neusser Musikschule und dem Kulturforum Alte Post erfolgreich aufgeführt. Damals war Klarinettenlehrer Beckers erstmals als musikalischer Leiter dabei und kann Vergleiche ziehen. „Zwei Darsteller haben uns die Treue gehalten und singen tatsächlich auch wieder ihre damaligen Rollen“, erzählt er, „aber ansonsten sind alle Figuren neu besetzt und Oliver wird diesmal tatsächlich von einem Kind verkörpert. Insgesamt sind mehr Kinder beteiligt und die Musik ist anspruchsvoller geworden, denn wir arbeiten nach der neuen Fassung, die der Musikverlag zwischenzeitlich herausgegeben hat.“
Was die Instrumentalisten bei dieser Produktion angeht, da macht sich Beckers keine Sorgen: „Ich bin sehr froh darüber, auf welch hohem Niveau unsere Leute der Neusser Musikschule sind. Die Mitglieder des Jugendsinfonieorchesters können das so vom Blatt abspielen, sie verstehen die Anweisungen des Dirigenten schnell und können diese auch gleich umsetzen.“ Schon jetzt freut sich der musikalische Leiter auf sein „persönliches Highlight“, nämlich die erste gemeinsame Probe mit Chor und Orchester, kurz vor der der Premiere im Globe-Theater.
Nicht spielen – sondern sein
Regisseur Hans Ennen-Köffers hilft Talenten in Musical-Produktion auf die Sprünge
„Stelle beide Füße richtig auf den Boden. Siehst Du? Aus dieser Position kannst Du in alle Richtungen agieren. Stehst Du instabil, dann wird das schwierig und Du wirkst unsicher.“ Fest geerdet steht Hans Ennen-Köffers im Veranstaltungssaal der Alten Post inmitten einer Darstellergruppe, die heute die „Sargtischler-Szene“ des Musicals „Oliver!“ probt. Die Jugendlichen und Erwachsenen bringen ganz unterschiedliche Bühnenerfahrungen mit und nehmen den Ratschlag sofort an. Ihre Körper spannen sich, ihre Füße verwachsen mit dem Stäbchenparkett. Hans Ennen-Köffers arbeitet mit der Gruppe an den einzelnen Positionen, Gängen, Bewegungen, an der Haltung, den Gesten, der Mimik und stimmlichen Ausdrucksvielfalt. Der Leiter der Alten Post ist voll konzentriert und sichtlich in seinem Element: Die Proben laufen gut, die im Casting ermittelten Darsteller erweisen sich als Glücksgriffe – und er als professioneller Schauspieler, Regisseur und Dramaturg kann hier seinen großen Erfahrungsschatz und seine Leidenschaft für die Bühne einbringen.
„Diese Inszenierung ist eine echte Herausforderung. Sie ist sehr temporeich, die Szenen geben keine Aufwärmphasen her, die Darsteller müssen alle gleich zu hundert Prozent da sein und auf den Punkt spielen“, vergleicht Hans Ennen-Köffers die diesjährige Musical-Produktion mit der auf der Romanvorlage „Oliver Twist“ basierenden Aufführung aus dem Jahr 2000. „Alles, was ich damaligen Fassung des Stücks bemängelt hatte, ist jetzt besser. Der Text wurde gestrafft, die Musik ist vielschichtiger und anspruchsvoller, das bringt mehr Spannung und Dynamik.“
In Zusammenarbeit mit der Musikschule Neuss wird das Werk im September im Globe-Theater Premiere haben. Bis dahin laufen die wöchentlichen, später täglichen Proben und die Darsteller genießen neben dem Schauspielunterricht professionelles Tanz- und Stimmbildungstraining. Diese Erfahrungsschätze sind ihre „Gage“.
Zurzeit wachsen die Ensemble-Mitglieder noch in ihre Rollen hinein. „Es ist wichtig, dass sie sich über ihre eigenen Charaktere Gedanken machen, dass sie überzeugend garstig oder zerstreut, hartherzig oder naiv wirken können. Sie müssen Kälte und Wärme oder die Tages- und Jahreszeiten wirklich spüren, damit sie eins werden mit ihrer Bühnenfigur“, sagt der Regisseur. Den teilnehmenden Kindern beispielsweise hat er deshalb die Aufgabe gegeben, acht Sätze zu ihrer „Biographie als Waisenkind“ aufzuschreiben. „Es sind sehr emotionale Aufsätze entstanden, teils voller Wut, teils voller Traurigkeit“, so Ennen-Köffers. Welchen Einfluss dies auf die Bühnendarbietungen hat – darauf darf das Neusser Publikum gespannt sein.
Marwin Iglesias ist Oliver Twist!
Wenn Musik läuft, dann singt der 13jährige Marwin Iglesias automatisch mit. Er ist dabei ein solches Natur- und Ausnahmetalent, dass er die Hauptrolle in der Neusser Musical-Produktion „Oliver!“ spielt! Frei nach Charles Dickens geht es bekanntlich um den Jungen Oliver, der um 1850 unter schlimmen Bedingungen im Waisenhaus lebt und schließlich flieht. „Ich finde es gut, dass Oliver abhaut. Wäre ich in seiner Situation, würde ich auch weglaufen“, fühlt Marwin sich in die Rolle hinein. Vor den Proben bereitet er sich jeweils gut vor, er lernt die Texte auswendig, übt die Melodien aus dem dicken Notenbuch. Dass er früher einmal Keyboardunterricht hatte und das Instrument ihm noch zur Verfügung steht, hilft sehr dabei, Töne anhand der Noten zu suchen und zu finden. Die vielen Probentermine scheut er nicht, im Gegenteil. Gesangs- und Schauspielunterricht machen ihm großen Spaß. „Ich spiele die Hauptfigur und daran hängt das ganze Team“, sagt er mit einer Mischung aus Stolz und Respekt. Seine privaten Freunde „mochten zuerst gar nicht glauben, dass ich die Hauptrolle in dem Musical bekommen habe“, sagt Marwin, „aber inzwischen wissen sie es und finden das okay.“
Harry Heib ist „Fagin“
Bei der aktuellen Musicalproduktion „Oliver“ setzen das Kulturforum Alte Post und die Musikschule der Stadt in bewährter Weise auf Newcomer – und auf Bühnen-Profis wie Harry Heib, der in die Rolle des „Fagin“ schlüpft und somit Kopf einer Bande jugendlicher Taschendiebe ist. Das Stück nach dem Roman „Oliver Twist“ (das am 20. September im Globe-Theater Premiere hat) gefällt ihm gut: „Die Geschichte ist toll. Ich durfte schon bei der ersten Auflage im Jahr 2000 den Fagin spielen. Jetzt freue ich mich auf eine neue Inszenierung und einen „neuen“ Fagin. Das Musical ist musikalisch abwechslungsreich und spannend“, sagt er. Dies gilt auch für die aktuellen Formate, die er mit dem Musiker Timo Bader auf die Bühne bringt. Unter dem Label „Schlagerjazz“ präsentiert der Entertainer, der in Grevenbroich aufgewachsen ist, Bühnenprogramm e in denen Schlager in Jazz- und Swing-Arrangements erklingen. „Einfach eine traumhafte Mischung“ für Heib, der einen Faible für deutschsprachige Texte und die Swing-Kultur hat.
Erste Bühnenerfahrungen hat Harry Heib übrigens vor mehr als zwei Jahrzehnten in Schauspielkursen der Alten Post gesammelt – sicher einer der Gründe für ihn, immer wieder gerne in dieses Haus zurückzukehren. Ebenso wie in das Theater am Schlachthof, in dem er seit Gründung des Hauses in den verschiedensten Produktionen und Funktionen mitwirkt. Regelmäßig arbeitet er u.a. auch gerne mit dem Tourneetheater Theatertill aus Düsseldorf zusammen, oder mit der deeband (Hausband der Stunkshows in Neuss und Düsseldorf).